Im Jahr 2021 nimmt die E-Mobilität weltweit so richtig Fahrt auf. Neben immer neuen Bekenntnissen zur neuen Mobilität von öffentlicher Seite jagt eine Fahrzeugpremiere die andere: EQS, ID.4 und F-150 Lightning heißen die neuen Modelle, die künftig auf unseren Straßen emissionsfrei unterwegs sein sollen. Die schöne neue Mobilität bringt aber auch Herausforderungen mit sich, denn nicht jede Komponente kann 1:1 vom Verbrenner ins E-Auto übertragen werden. Dieser Herausforderung stellen sich unsere Experten und Expertinnen nur zu gern.
5 Fragen an unseren Experten Marc Leinemann
Heute stellen wir Ihnen einen vor: Marc Leinemann, verantwortlich für die Entwicklung von Luftfedersystemen für Nutzfahrzeuge, beschäftigt sich tagtäglich mit den Auswirkungen der Elektromobilität. Im Interview berichtet er von seinem Arbeitsalltag, der Bedeutung oft unscheinbarer Komponenten und seinen Gedanken zur Mobilität der Zukunft.
Frage 1
Marc, was ist Deine Aufgabe bei Continental?
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Innerhalb von Continentals Advanced Development bin ich verantwortlich für den vor uns liegenden technologischen Weg, wenn wir an Luftfedersystemen und verwandten Technologien für Nutzfahrzeuge wie Lkw und Busse arbeiten. Luftfedern sind adaptive Federungselemente für Achsen, Lkw-Kabinen und Fahrersitze – im Grunde alle Bereiche, die zu unerwünschten, unsicheren oder unangenehmen Schwingungen für den Fahrer oder die Ladung führen können. In einem Lkw zum Beispiel findet man Luftfedern meist an der Hinterachse – und natürlich an den Anhängerachsen, weil dort die größten Lastunterschiede auftreten. Sie sorgen dafür, dass die Fahrt für einen leeren Raum genauso sicher ist wie für einen mit wertvollen Gütern prall gefüllten Container. Das Gleiche gilt für Busse: Ob ein einzelner Fahrgast zu später Stunde oder ein ganzer Bus voller Schulkinder – ihre Fahrt ist genauso komfortabel. In diesem Sinne sind Luftfedern also sehr vielseitig und bieten sowohl Sicherheit als auch Komfort. Deshalb findet man Luftfedern in nahezu allen Lkw, Anhängern und Bussen, die auf Europas und Nordamerikas Straßen unterwegs sind, aber auch in vielen Ballungsgebieten Asiens, Australiens, Südamerikas und Afrikas.
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Frage 2
Wie bist Du zu diesem Job gekommen?
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Das war ziemlich schrittweise. Nach meinem Abschluss als Diplom-Ingenieur habe ich einen Praktikumsplatz gesucht, um praktische Erfahrungen zu sammeln. Gefunden habe ich diesen bei einer Firma hier in Hannover, wo ich auch anschließend als Werkstudent geblieben bin. Neben Achs- und Karosserieteilen produzierten die auch Luftfederkomponenten – die auch an Continental geliefert wurden. So kam ich zum ersten Mal mit Abrollkolben für Luftfedersysteme in Berührung. Und nach ein paar Jahren bin ich dann direkt zu Continental gewechselt.
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Frage 3
Fällt Dir im echten Leben auf, welche Auswirkungen Deine Arbeit hat?
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Ja, das sehen wir jeden Tag. Manchmal ist es offensichtlicher, wie zum Beispiel bei Stadtbussen, die an der Bushaltestelle eine Seite absenken, um den Ein- und Ausstieg bequemer zu machen. Manchmal ist es weniger offensichtlich, aber Luftfedern sind ein integraler Bestandteil der heutigen Transportindustrie. Nahezu alle Güter unseres täglichen Lebens werden mithilfe von Luftfederungen transportiert – für mich ist das gut zu wissen. In unserer täglichen Arbeit arbeiten wir daran, Luftfedern noch zuverlässiger, robuster und anpassungsfähiger an die wechselnden Anforderungen des weltweiten Marktes zu machen. Und dazu gehören auch die Systeme, die mit ihrer Funktion zusammenhängen oder die wertvollen Informationen, die Luftfedern liefern können. Unsere Arbeit berührt also viele verschiedene Bereiche, vom Engineering über Material- und Leichtbaukonzepte bis hin zur Sensorik. Und Continental bietet uns die Chance, all diese Synergien zu nutzen, was faszinierend ist.
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Frage 4
Du bist auch an der Entwicklung von Produkten für E-Fahrzeuge beteiligt. Wo macht Deiner Meinung nach E-Mobilität für Nutzfahrzeuge am meisten Sinn?
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Es ist klar, dass E-Mobilität in einem städtischen Umfeld am erfolgreichsten sein kann. Also dort, wo viel Verkehr auf engem Raum mit viel Stop-and-Go herrscht und die Strecken nicht so lang sind wie im Schwerlastverkehr. Zum Beispiel haben viele kleine Paketdienste ihre Flotten bereits elektrifiziert. Aber auch der öffentliche Nahverkehr in den Städten hat begonnen, seine Busflotten in Richtung Nachhaltigkeit umzustellen. Die Elektrifizierung des Fernverkehrs oder gar von Langstreckentransportern ist dagegen viel schwieriger, aufgrund von Faktoren wie Batteriekapazität, Ladekonzepte und Infrastruktur. Für längere Strecken kann man sich viel eher einen Brennstoffzellen-Ansatz vorstellen, weil der Betankungsprozess schneller und ähnlich ist wie heute mit Benzin an den Tankstellen.
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Frage 5
Wie sieht für Dich die Zukunft der Mobilität aus?
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Beim öffentlichen Nahverkehr werden wir uns von festen Buslinien und Fahrplänen verabschieden. Vor allem in urbanen Gebieten wird Mobilität eher ein Service auf Abruf sein. Das sieht man schon heute bei Ridesharing-Diensten, die in größeren Städten angeboten werden. Ich denke auch, dass sich die Fahrzeuggröße im ÖPNV an die Nachfrage anpassen wird. Die Busse sind in der Regel zur Rushhour voll und dazwischen leer – aber der Bus hat immer die gleiche Größe. In Zukunft könnte ich mir also Busse vorstellen, die aus kleineren, modularen Einheiten bestehen, die je nach Bedarf miteinander gekoppelt werden können. Und auch fahrerlose Fahrzeuge werden in Zukunft eine große Rolle spielen. Nun sind das keine inkrementellen Schritte, sondern geradezu revolutionäre Entscheidungen, die Mut und viel Transparenz in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erfordern. Vor allem, wenn es um die Kosten und die notwendigen Investitionen für die Infrastruktur und die Energieversorgung der Fahrzeuge geht. Also, wir werden sehen, was die Zukunft bringt.
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